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Stellungnahme zur aktuellen Frankfurter Integrationsdebatte

Der Rat der Religionen ruft zur Sachlichkeit und respektvollen Debattenkultur

Am 1.10.09 hat die Dezernentin für Integration, Frau Eskandari-Grünberg den Entwurf für ein neues Integrationskonzept für die Stadt Frankfurt der Öffentlichkeit vorgestellt und zu einem breiten Diskussionsprozess eingeladen, an dem sich alle Frankfurterinnen und Frankfurter beteiligen können.

Dieser wichtige und unterstützenswerte Prozess droht nun von Unsachlichkeit überschattet zu werden, indem das umstrittene Interview Thilo Sarrazins in dem Journal „Lettre
International“ von Teilen der Öffentlichkeit zu einem „Akt der Zivilcourage und Meinungsfreiheit“ stilisiert und von rechtspopulistischen Politikern für sich genutzt wird.
Die Tatsache, dass die Äußerungen Sarrazins möglicherweise ein Verfahren wegen Volksverhetzung nach sich ziehen, scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen.

Es ist bedauerlich, dass die Arbeit vieler seriöser Migrationsforscher sowie das Engagement zahlreicher Initiativen und Menschen für Integration, auch hier in Frankfurt, häufig nicht die ihnen zustehende öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Sie sind doch die eigentlichen Experten in der Debatte, gerade auch wenn es um Integrationsprobleme und Konflikte geht!

Stattdessen werden oft nur diejenigen wahrgenommen, die möglichst laut und pauschalisierend ihre Meinung präsentieren. Dementsprechend wird ihnen dann zu Unrecht zugute gehalten, dass sie allein es seien, die „unbequeme Wahrheiten“ aussprächen und auf die Probleme aufmerksam machten. Wer dagegen differenziert argumentiert, wird schnell als mutmaßlich „politisch korrekter“ und die Schwierigkeiten verharmlosender „Gutmensch“ diffamiert.

Dem möchte der Rat der Religionen Frankfurt deutlich widersprechen. Wer Intelligenz und Begabung ethnisiert, menschliche Fortpflanzung als „Produktion“ und „Eroberungsstrategie“ beschreibt oder Menschen allein nach ihrem ökonomischen Wert beurteilt, leistet keinen Beitrag zur Sachdebatte, sondern schürt Vorurteile und Ressentiments gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen, die in der Phantasie vieler Menschen zunehmend pauschal als Bedrohung empfunden werden. Dass laut Umfragen Sarrazins Auslassungen, aller Kritik zum Trotz, auf breite Zustimmung stoßen, sollte darum Grund zur Besorgnis geben.

Der Rat der Religionen Frankfurt hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen Vorurteile und Diskriminierung in der Stadtgesellschaft zu arbeiten und möchte an der notwendigen Debatte
zur Integration konstruktiv teilnehmen. Diese Diskussion ist nur in einem Klima des gegenseitigen Respekts und mit sachlichen Argumenten möglich. Der Rat ruft dazu auf, die Debattenkultur vor populistischen Entgleisungen zu schützen und sich weiter um eine differenzierte Auseinandersetzung und konstruktive Lösungen zu bemühen.

V.i.S.d.P.:
Athenagoras Ziliaskopoulos, Vorsitzender Rat der Religionen Frankfurt, Tel.: 0170 8649888
Ünal Kaymakci, Stellv. Vorsitzender Rat der Religionen Frankfurt, 0178 5643246