>>Gesetzliche Feiertage, kirchliche wie auch weltliche, schaffen unverzichtbare Freiräume zur Erholung. Sie strukturieren das Jahr und Zeiterleben – und zwar für alle Menschen. Sie haben daher eine wichtige gemeinschaftsstiftende Wirkung. Sie unterstützen das Familienleben und dieGemeinschaft und geben Gelegenheit zur Einkehr und zum sozialen und religiösen Beisammensein.
Die Gesellschaft in Deutschland ist zunehmend geprägt von kultureller, religiöser bzw. weltanschaulicher Diversität. Besonders im Hinblick auf die Regelungen des Feiertagsschutzes steht die Religionsfreiheit immer wieder in einem Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz der Gleichheit: Wessen Feiertage werden geschützt, und was ist mit dem steigenden Anteil der Konfessionslosen, die sich an religiöse Feiertage nicht gebunden fühlen, aber dennoch Erholungspausen und Zeiten für das soziale Miteinander benötigen? Die geltenden Regelungen repräsentieren zunehmend nicht mehr die soziale Realität. Daher ist es nötig, alternative Modelle zu prüfen.
Der gesetzliche Feiertagsschutz in Deutschland geht in seiner heutigen gesetzlichen Form auf die in der Weimarer Republik gefundenen Kompromisse zurück. Eine Zeit, in der in Deutschland neben christlichen Kirchen verschiedener Größen und jüdischen Gemeinden auch erste muslimische Gruppierungen und Bahá’í lebten. Bereits 1922 verfassten sich rechtlich die ersten Gemeinden beider Religionen in Deutschland. Die gesetzlichen Feiertage umfassen neben dem freien Sonntag weltliche und kirchliche Feiertage. Zu ersteren zählen der Tag der Arbeit, Tag der deutschen Einheit und der Neujahrstag. Zu den letzteren gehören der Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingsten sowie der erste und zweite Weihnachtsfeiertag.
„Eine öffentliche Würdigung von religiösen Feiertagen auch kleinerer Religionsgemeinschaften wäre zeitgemäß.“
Die durch Artikel 140 Grundgesetz inkorporierten entsprechenden Artikel der Weimarer Verfassung garantieren den Schutz bestehender kirchlicher Feiertage und die Sonntagsruhe. Zusammen mit der in Artikel 4 Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit gewährleistet das Religionsverfassungsrecht nach heutigem Verständnis auch den Schutz nicht-christlicher Feiertage. Diese Überzeugung spiegelt sich in Verordnungen wieder, die Schülerinnen und Schülern nicht-christlichen Glaubens Freistellungen an ihren jeweiligen höchsten Feiertagen garantieren. Das Grundrecht der Religionsfreiheit wirkt auch zu Gunsten aller religiösen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Die Arbeitgeber sind dazu angehalten, betriebliche Anforderungen und die religiösen Bedürfnisse der Angestellten gegeneinander abzuwägen und nach Möglichkeit in Übereinstimmung zu bringen, sodass in der Praxis oft unbezahlter Urlaub oder andere Formen von Freistellungen auch für die Wahrnehmung nicht-christlicher Feiertage eingeräumt werden. Eine offizielle Anerkennung und damit Schutz nicht-christlicher Feiertage als Freizeit mit Lohnfortzahlung ist damit aber noch nicht verbunden. Hier kann die öffentliche symbolische Anerkennung von religiösen Feiertagen auch von kleineren Religionsgemeinschaften hilfreich sein. Der Rat der Religionen arbeitet daher in enger Kooperation mit dem Dezernat für Integration und Bildung, dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten und dem Oberbürgermeister daran, eine solche öffentliche Würdigung von religiösen Feiertagen auf den Weg zu bringen.
Ein Nachteil der geltenden Regelungen ist, dass sie kompliziert sind und zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht große Unterschiede machen. Sie sind vielen Menschen in Deutschland nicht bekannt, sodass diese ihre Rechte nicht einfordern können. Hinzu kommt, dass der Feiertagsschutz in der Hand der Bundesländer liegt und es daher Abweichungen gibt.
Das Verhältnis von Staat und Religion ist historisch gewachsen als eine Übereinkunft der Regierungen mit den größeren Kirchen anlässlich innerchristlicher Konflikte. Daher ist dieses Verhältnis stark auf die großen christlichen Konfessionen zugeschnitten. Problematisch ist dabei, dass dies die heutigen gesellschaftlichen Realitäten nicht widerspiegelt. Hinzu kommt, dass dieses Rechtsverhältnis auf religiöser Seite das Vorhandensein eines vertragsfähigen Rechtskörpers und zentralen Ansprechpartners voraussetzt. Dies ist aber vor allem bei intern heterogenen Religionsgruppen oft schwierig bzw. in einigen Religionen theologisch nicht angelegt und daher nicht gewollt.
„Überlegenswert ist auch, einen werteorientierten Feiertag zu etablieren, der die Menschen losgelöst von Konfessionen oder historischen Ereignissen verbindet.“
Die steigende Pluralisierung der religiösen Landschaft in Europa aufgrund von Globalisierung und Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten erfordert eine Neujustierung. Dabei kann es hilfreich sein, gelungene Beispiele aus Regionen zu betrachten, in denen Vielfalt seit Jahrhunderten der Normalfall ist. So bilden in einigen Ländern die Feiertage weitgehend die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse ab, erlauben aber weitreichende Gleichberechtigung. Hierzu zählt der Senegal, mit einem nahezu paritätischen Verhältnis von muslimischen und christlichen Feiertagen. Im mehrheitlich muslimischen Pakistan gab es 2016 die Initiative, die hinduistischen Feste Holi und Diwali, sowie das christliche Ostern als allgemeine öffentliche Feiertage anzuerkennen, wobei die Zustimmung des Innenministeriums noch aussteht. Andere Länder wie Südafrika und Indien haben teilweise komplexe Modelle entwickelt, die die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und individuelle Religiosität in den Vordergrund stellen. Dabei werden religionsübergreifende Werte wie Menschenrechte, Freiheit und Demokratie ins Zentrum von Feiertagen gerückt bzw. den Einwohnerinnen und Einwohnern durch ein Kontingentmodell Wahlmöglichkeiten zur Ausübung der eigenen Überzeugung eingeräumt.
In der deutschen Politik wurde mehrfach vorgeschlagen, auch Feiertage religiöser Minderheiten gesetzlich zu schützen. Bis jetzt haben nur Hamburg (2012) und Bremen (2013) entsprechende Regelungen gefunden, in denen hohe islamische und alevitische Feste einen vergleichbaren Status erhalten wie der kirchliche Buß- und Bettag. Es sind damit noch keine bezahlten Feiertage, aber die Schülerinnen und Schüler dürfen frei nehmen und Arbeitnehmer Urlaub beantragen. Solche Ansätze sind ein Fortschritt, jedoch nicht ausreichend. Dem Leitgedanken von gleichberechtigter Teilhabe folgend ist es wichtig, von staatlicher Seite ein öffentliches Signal der Anerkennung bestehender Vielfalt zu geben. Dabei müssten grundsätzliche Regelungen gefunden werden, von denen wiederum nicht nur die zahlenmäßig stärkeren Minderheiten wie Muslime profitieren, sondern genauso kleinere Gruppierungen. Der Ansatz einer Feiertagsregelung durch Kontingente bietet hier eine interessante Möglichkeit. Diese wären im Umfang für alle gleich und könnten an unterschiedlichen Terminen in Anspruch genommen werden.
Zu bedenken ist auch, der Vielfalt religiöser Feiertage festliche Ereignisse gegenüber zu stellen, die eine übergreifende Gemeinschaftlichkeit betonen. Dieser Funktion können Feiertage wie der Tag der deutschen Einheit entsprechen. Besonders dann, wenn das Verhältnis von Diversität und verbindenden Werten sichtbar zum Thema gemacht wird, wie z.B. im letzten Jahr bei der historischen multireligiösen Feier in der Paulskirche im Rahmen der 25. Jubiläumsfeier der Deutschen Einheit mit dem Motto: „Vielfalt in der Einheit“. Überlegenswert ist auch, einen werteorientierten Feiertag zu etablieren, der die Menschen losgelöst von Konfessionen oder historischen Ereignissen verbindet. So könnte ein Tag der Menschenrechte, des Friedens oder der Dankbarkeit und Achtung nicht nur zu einem respektvollen Miteinander aufrufen, sondern auch zur Auseinandersetzung über gesellschaftlich geteilte Grundwerte und deren Verwirklichung im Alltag.<<
Der Vorstand des Rates der Religionen Frankfurt: Khushwant Singh (Vorsitzender), Prof. Dr. Joachim Valentin (Stellvertretender Vorsitzender), Dr. Armin Eschraghi, Ünal Kaymakci, Dr. Karsten Schmidt
Diese Stellungnahme wurde zuerst am 21. Dezember 2016 auf dem Portal „Vielfalt bewegt Frankfurt“ veröffentlicht: